Unzureichende Wohnraumversorgung, steigende Inflation, hohe Finanzierungskosten, noch höhere Baukosten – die Liste der Headlines mit negativen Kernaussagen wurde im Laufe des Jahres 2023 immer länger. Zu all dem gesellten sich politische Einflussfaktoren: diverse Wohnraumgipfel, ein neues Heizungsgesetz, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit weitreichenden Folgen und zu guter Letzt nun auch die geplante Gebäuderichtlinie der EU. Wie steht es um die Entwicklung von Baubranche, Energiewende und Mietpreis?
„Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld…?“
Das drängendste Problem vorweg: Es fehlt das Geld. Mit dem Urteil der Karlsruher Richter vom 15.11.2023 klafft nun eine Lücke von 60 Mrd. Euro im Haushalt. Geld, mit dem die Bundesregierung zahlreiche Förderprogramme bezahlen wollte - wie geht es hier weiter? „Generell gilt: Alle bisher "zugesagten Verpflichtungen" würden eingehalten, so Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei einer Pressekonferenz in Berlin. Wer einen offiziellen und damit einen gerichtsfesten Bescheid für ein Förderprogramm hat – nicht nur im Gebäudebereich – muss nach der Aussage Habecks nicht bangen. Das kann als eine politische Zusage gewertet werden. Wem hingegen ein offizieller Bescheid für Fördermittel fehlt, könnte leer ausgehen.
Quelle: Nach Karlsruher Urteil: Was wird noch finanziert, was nicht? | BR24
Steht damit die energetische Transformation auf der Kippe? Das Problem dabei ist nämlich, dass bei vielen Eigentümern das Vermögen in der jeweiligen Immobilie gebunden ist. Und wie soll kostspielig saniert werden, wenn die liquiden Mittel nicht zur Verfügung stehen?
Die Frage stellt sich auch vor dem Hintergrund, dass nach dem geplanten Heizungsgesetz der Bundesregierung nun auch das EU-Parlament mit einer überarbeiteten Gebäuderichtlinie in den Startlöchern steht. Verschiedene überregionale Medien sprachen hier in den letzten Monaten bereits von einer „Zwangssanierung“ (siehe u.a. Nach Karlsruher Urteil: Was wird noch finanziert, was nicht? | BR24 ). Lars von Lackum, CEO der LEG Immobilien, rechnete gar mit erwarteten Investitionen bis 2033 von rd. 2.100 Mrd. Euro.
Quelle: Wie entwickelt sich die Immobilienwirtschaft, Lars von Lackum? | The Pioneer
„EU-Staaten entscheiden zukünftig selbst über die Umsetzung der Gebäuderichtlinie“
Knapp zusammengefasst können wir zum 08.12.2023 jedoch feststellen: Es wird keine Sanierungspflicht geben – jedenfalls nicht für Wohngebäude. Gewerbeobjekte jedoch, die im Quorum der 16 % der schlechtesten sanierten Objekte auftauchen, müssen bis 2033 renoviert werden. Auch mit der Förderung für Öl- und Gasheizungen soll spätestens 2025 Schluss sein. Kai Warnecke, Verbandspräsident von Haus & Grund gibt allerdings keine Entwarnung: „Nichtsdestotrotz stehen die Hauseigentümer in Deutschland und ganz Europa vor enormen Herausforderungen“.
Quelle: EU-Gebäuderichtlinie: Kompromiss bekommt Lob und Kritik | SHZ
Herausforderungen, das ist auch das Stichwort für die Baubranche. Denn ein weiterer, wichtiger Indikator für die Entwicklung des Wohnungsbaus (und damit der gesamten Baubranche) und letztlich auch den Mietpreisen in der Region ist die Entwicklung der Baugenehmigungen in Bayern. Hier dominieren die rückläufigen Tendenzen. Die Augsburger Allgemeine vom 07.12.2023 schreibt eindringlich: „Die Bauunternehmen in und um Augsburg geraten immer stärker unter Druck“. „Aktuell gehe man in der Stadtverwaltung davon aus, dass bis Silvester etwa 750 Baugenehmigungen erteilt werden. Im Jahr 2021 waren es im gleichen Zeitraum (betrachteter Zeitraum: ein Jahr) noch 954, im Jahr 2022 nur mehr 797. Auch die Bauanträge sind um ca. ein Viertel zurückgegangen: 2022 ca. 1.000 Anträge, 2023 (bis November) 782 Anträge.“ Weiterhin berichtet die Stadtsparkasse Augsburg von einem Rückgang von rund 30 % bei den Baufinanzierungen. Wie sieht es in anderen bayerischen Regionen aus? Laut Münchner Merkur vom 07.9.2023 seien bis August bereits 67 % weniger Baugenehmigungen im Landkreis München erteilt worden. Die Passauer Neue Presse vom 18.11.2023 nennt für ganz Bayern einen Rückgang von 30,1 % und bezieht sich dabei auf die Fachgruppe im Bayerischen Landesamt für Statistik.
Wird das Angebot verknappt, steigt der Preis. Stimmt die alte Formel noch?
Tatsächlich liefern erste Auswertungen konkrete Zahlen. „Im Vergleich zum Vorjahr haben sich zum Stichtag 01.12.2023 in 56 von 80 untersuchten deutschen Großstädten die durchschnittlichen Angebotsmieten weiter verteuert – in der Spitze um rund zehn Prozent. Das sind Berechnungen des Maklerportals Immowelt, in der die Quadratmeterpreise von Bestandswohnungen, die auf der Plattform angeboten wurden, verglichen wurden.
"Während der Nachfragedruck hoch geblieben ist, hat sich der Wohnungsmangel angesichts des dramatischen Einbruchs beim Neubau weiter zugespitzt", kommentiert Immowelt-Geschäftsführer Felix Kusch die Zahlen. In 21 der Städte fallen folglich die prozentualen Preiszuwächse stärker aus als die aktuelle Inflationsrate von 3,2 Prozent.“ Aber es gibt sie auch: die gegenläufigen Tendenzen, bei Haufe online heißt es weiter: „Das ist etwa in München der Fall, wo der durchschnittliche Mietpreis um 1,6 Prozent gesunken ist. Statt 16,36 Euro bei Neuvermietung kostet der Quadratmeter im Bestand nun 16,10 Euro. Trotzdem ist die bayerische Landeshauptstadt nach wie vor die mit Abstand teuerste deutsche Großstadt.“
Quelle: Makler: Wohnungsmieten steigen in 56 von 80 Großstädten | Immobilien | Haufe
Und ob es sich bei den erstmals gesunkenen Mietangeboten um eine Trendumkehr handelt, bleibt abzuwarten. Vor dem Hintergrund zweier großer Wahlen in den kommenden Jahren (2024: EU-Parlament und 2025: Bundestag) bleibt die Entwicklung spannend.
Autor: Daniel Götz
Foto: Stefan Rehr